Zum Artikel springen

Aktuelles

Ökumenischer Gottesdienst zum 725. Stadtjubiläum am 24. April 2010

Ökumenischer Gottesdienst zum 725. Stadtjubilläum am 24. April 2010 Foto: Norbert Wallrath, Hürth
Predigt Stadtjubiläum

Liebe ökumenische Gemeinde!
Wenn Besucher unsere neu erbaute orthodoxe Kirche gleich hier nebenan besichtigen, fällt vielen als erstes der Leuchter auf, der in ihrer Mitte hängt. Es ist immer interessant, die Reaktion der Menschen zu sehen: während die einen sofort wissend nicken, wenn ich darauf hinweise, dass seine zwölf Tore an das himmlische Jerusalem erinnern, von dem wir gerade in der Lesung gehört haben, scheint für andere dieser Begriff absolut fremd und unbekannt – nicht nur jüngeren Menschen übrigens. Es mag daran liegen, dass das Buch der Offenbarung dem heutigen Menschen fremdartig, ja exotisch erscheint: die Vision einer neuen Welt, kennt und versteht man heute nicht mehr. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ soll Helmut Schmidt einmal gesagt haben....


Das Interessante ist ja, dass für die Hörer und Leser des Johannes diese Vision der himmlischen Stadt ganz eng mit einer konkreten irdischen Stadt, eben Jerusalem, verbunden ist. Yerushalayim, dieser Name, der für diejenigen von uns, die sich noch an ihr Hebraicum erinnern, nicht im Singular und nicht im Plural steht, sondern im so genannten Dual, der Zweizahl. Eine der Deutungen dieser grammatikalischen Besonderheit ist: Jerusalem ist die einzige Stadt, die es zwei mal gibt, einmal hier in ihrer Unvollkommenheit und ein zweites Mal in der messianischen Erwartung des kommenden (oder für uns Christen des wiederkommenden) Herrn.
Unsere Stadt Brühl gibt es nur einmal – selbst wenn die Fans von Steffi Graf das anders sehen mögen. Und niemand bis zum heutigen Tag, bis zu diesem Augenblick hat je von der Vision eines „himmlischen Brühls“ gesprochen. (Wir hatten mal eine Ausstellung, die hieß „Der Riss im Himmel“, das war aber was anderes...)
Erstaunlicherweise findet sich aber ein Hinweis auf dieses „himmlische Brühl“ an vielen Stellen, ja in jeder offiziellen städtischen Verlautbarung. Ich spreche vom Stadtwappen Brühls, das die amtlichen Schreiben der Stadt ziert. Egal, was für Post ich von der Stadt bekomme, angenehme oder eher unangenehme, immer wieder ist da der Apostel Petrus mit seinem Buch und seinen zwei Schlüsseln und die sieben Köpfe der Schöffen zu sehen.


Was bedeutet es eigentlich, dass auf dem Wappen unserer Stadt eine der wichtigsten Gestalten des NT dargestellt ist? Ist das nicht vielleicht eine Zumutung - gerade auch für nicht-christliche Bürger unserer Stadt? Die Kruzifixe soll man abhängen, aber den Steuerbescheid mit Heiligenkopf akzeptieren?
Hier ist nicht der Ort für Polemik oder Wappenkunde, aber die schlichte Frage „was soll 's?“ wird erlaubt sein. Ist das eigentlich zeitgemäß? Unsere Nachbarstadt Hürth, könnte man einwerfen, ist da viel aktueller: In deren Stadtwappen findet sich das Zahnrad, das für die Schwerindustrie steht. (Ich bin versucht hinzuzufügen: als ob man es geahnt hätte, dass es abwärts geht mit der Schwerindustrie, hat man nur ein halbes Zahnrad abgebildet!).


Zurück nach Brühl: Dass auf unserem Stadtwappen aber neben dem Petrus auch noch sieben Schöffen, sieben Laienrichter könnte man sagen, dargestellt sind, interpretiert man ja üblicherweise so, dass wir, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, uns in diesen Repräsentanten wiederfinden.


Vielleicht dürfen wir es heute einmal andersrum sehen, dieses Wappen unserer Stadt. Wenn das sieben Richter sind, die das Verhalten anderer zu beurteilen haben, haben wir uns dann vielleicht eher mit diesem Petrus zu identifizieren? Vielleicht stehen heute wir, die Brühler Bürgerinnen und Bürger einmal vor dem Urteil der Geschichte? Und: Wie stehen wir da? Wir wissen ja, was den Petrus betrifft, dass seine Geschichte zunächst nicht nach einer Erfolgsstory aussah. Er, der hundertprozentige Jünger, ist derjenige, der im entscheidenden Moment zweifelt, scheitert und verleugnet. Und dann ist Petrus wie selbstverständlich wieder mit von der Partie, als die Jünger sich nach der Auferstehung wieder sammeln. Ja er ist sogar so mittendrin in seiner ursprünglichen Aufgabe als Fischer, dass er sich erstmal richtig anziehen muss, als der auferstandene Herr erscheint. Was ist da passiert, zwischen dem bitterlichen Weinen des Petrus, als der Hahn dreimal krähte, und jenem Osterfrühstück am See Genezareth?


Denn wir spüren: Irgendwas ist da passiert in dieser kurzen Zeitspanne. Die Alte Kirche hat es mit dem griechischen Wort METANOIA (Umkehr, Umwandlung des Sinnes) bezeichnet.


So verstehe ich diesen Petrus im Stadtwappen also nicht so sehr als einen Apostelfürsten, vor dessen Schlüsselgewalt wir strammzustehen haben. (Er hat ja nicht nur die Schlüssel, sondern auch das Buch in der Hand, jenes Buch, in dem das Evangelium, d. h. die Gute Nachricht, steht, die es zu bewahren und zu tradieren gilt.) In diesem Buch steht ja die Botschaft von der Umkehr ganz am Anfang: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe! Μετανοεῖτε, ἤγγικεν γὰρ ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν (Mt 3,2) .


Die Gestalt des Petrus im Wappen ist also vielleicht ein ständiger Ruf und Aufruf zur METANOIA, eine kontinuierliche Frage: Wie kann ich in all meiner Fehlbarkeit – die Unfehlbarkeit des Petrus ist für die Orthodoxen biblisch schwer zu belegen... - zum Wohl dieser Stadt beitragen? (Denn dass wir auch Fehler gemacht haben in unserer Geschichte, wird ja wohl niemand leugnen – auch nicht an einem solchen Festtag...)
Ich weiß sehr wohl, dass Brühl nicht das himmlische Jerusalem ist. Es geht hier aber nicht um die Perfektion des Jenseits, sondern um das Diesseits, es geht um die Frage: verbirgt sich hier vielleicht ein möglicher Auftrag an uns, im 726. Jahr der Existenz unserer Stadt.


Petrus kehrt zu den anderen Jüngern zurück, nachdem er sie im Stich gelassen hat. Wir Theologen sprechen gern von ihnen als dem Apostelkollegium, vielleicht weil in diesem Wort der Begriff der Kollegialität mitklingt. Und wenn wir auf der Suche nach Werten sind, die unsere Stadt lebenswerter machen können, könnte man ja in Richtung Kollegialität, Solidarität oder ähnliches denken.


In letzter Zeit hört man in der Ökumene in diesem Zusammenhang häufig den Begriff der Konvivenz. Das heißt „Zusammenleben“, ist aber mehr als Symbiose. Symbiose ist das Zusammenleben verschiedener Arten (in der Biologie kennen wir das Nilpferd und die Vögelchen, die seine Haut reinigen). Nicht darum geht es. Hier geht es um ein gleichberechtigtes Miteinander aller. In den Dörfern Lateinamerikas definiert man die Konvivenz im Miteinanderleben, Einander-Helfen und gemeinsam Feiern. Anders gesagt: Wir leben nicht für uns, sondern mit den Nachbarn und allen Menschen hilfsbereit zusammen.


Die Theologen würden sagen: persönliches und gemeinschaftliches Leben sind miteinander verbunden. Der rumänische Mönchsvater Vasile aus Poiana Mărului sagt dazu, dass dieses bewusste Zusammenleben dann nicht nur zum Gemeinwohl beiträgt, sondern auch zur eigenen, zur ganz persönlichen Vervollkommnung.
Aber das erfordert eben eine ständige Überprüfung unserer selbst. Wie gesagt Metanoia.... (Und dieser Auftrag gilt ja für alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, unabhängig von ihrer Religion...).
Diese unsere Stadt haben wir auf der Außenwand unserer Kirche abgebildet. Johannes der Täufer trägt sie auf Händen. (Auf dem Gottesdienstzettel können sie einen Ausschnitt sehen...). Es hätte ebenso gut auch der Petrus sein können; aber Johannes steht genauso für Metanoia und es sollte nun mal eine Johanneskirche und keine Petruskirche sein....


Deshalb freue ich mich bereits heute auf das nächste amtliche Schreiben der Stadt, denn dann kann ich ihn wieder sehen, diesen Überbringer der Guten Botschaft. In diesem Sinn: So sei es! Amen.

 

Eindrücke vom ökumenischen Kirchentag vom 12. – 16.05.2010 in München

von Paul Berger

... so ähnlich muss das biblische Pfingstfest gewesen sein ... dachte ich an Pfingsten 2010, wenige Tage nach dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München: wir waren an einem Ort, wenn auch nicht alle gleichzeitig; wir fühlten uns – jede(r) Einzelne berührt „von oben“; das Sprechen miteinander gelang mühelos, über Alltägliches wie Tiefgründiges – das war staunenswert, und es wurde noch eindrucksvoller und bewegender, als und wo wir mit einer vieltönigen Stimme „Gottes große Taten verkünde(t)en“.

Ganz sicher war der Hl. Geist „am Werk“ – vorher bei den Überlegungen zur Gestaltung dieses großen Christenfestes und dann bei den unzähligen Veranstaltungen und Darbietungen am Ort, also in den Kirchen und Kapellen, den Vortragssälen und den Podien, den Ständen auf der Agora und in der Stadt – eine geist-volle Vielfalt, eingebettet in eine geistgewirkte herzliche Fröhlichkeit und Offenheit.

Wir alle wussten uns von Gottes Hl. Geist und von den Gebeten der Daheimgebliebenen getragen, und wenn wir auch nicht offiziell sozusagen den 2. Geburtstag der Einen Kirche feiern konnten, so spürten wir doch, wie schon 2003 in Berlin, eine starke Verwurzelung in der geistlichen Ökumene, die alles von innen heraus bestimmte und die uns dankbar und hoffnungsvoll in die Zukunft entlässt.

Vertun wir uns aber nicht: dies ist keine heiter-unbeschwerte, naive Hoffnung – sie ist vielmehr zutiefst verankert im Christusgeheimnis, das der Kontext des 1. Petrusbriefes in Erinnerung ruft, aus dem das Motto dieses Ökumenischen Kirchentages stammt: dort heißt es: „Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben . . .“ (Petr. 1,3b).

München war und ist mehr als nur ein „Event“

Paul Berger

Schlussdokument der europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV3) vom 4. bis 9. September 2007 in Hermannstadt/Sibiu (Rumänien)

Erklärung junger Delegierter aus ganz Europa gerichtet an die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung (EÖV3) und angenommen während des Treffens der jungen Delegierten vom 27. – 30. Juli 2007 in St. Maurice, Schweiz, und während der Anhörung der jungen Delegierten auf der EÖV3 am 5. September 2007.

Die junge Oikoumene steht ein für die lebendige Erneuerung des konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Die Ergebnisse der EÖV2 (Granz 1997) müssen während der EÖV3 verwirklicht und weiter bedacht werden, wobei die Charta Oecumenica als Grundlage dienen muss. Daher empfehlen wir den Delegierten folgende Verpflichtungen:

Einheit
Einheit bedeutet nicht Uniformität, sondern kann als Einheit in Verschiedenheit bestehen. Wir verpflichten uns, anderen Denominationen und Traditionen mit offenen Sinnen und Herzen zu begegnen. Ein Beispiel ist die Ökumenische Jugendbewegung, die junge Menschen aller Denominationen in der Nachfolge Jesu Christi vereint. Diese jungen Frauen und Männer sind nicht die Zukunft der Kirche, sondern deren Gegenwart.

Spiritualität
Wir bejahen Spiritualität als Ausdruck des Glaubens in all ihren verschiedenen Formen. Wir verpflichten uns, in einen offenen Dialog gleichberechtigter Partner über Spiritualität einzutreten und dabei zu berücksichtigen, dass die Vielfalt geistlichen Lebens nicht nur für junge Menschen eine wichtige Säule des Glaubens ist.

Zeugnis.
Wir fordern die Kirchen auf, nicht mehr untereinander zu konkurrieren und zu beginnen, das Evangelium zu leben. Wir bezeugen ja nicht die Machtdynamik unserer Kirchen, sondern Christus. Wir sind entschlossen, uns nicht auf die Kontroverse zwischen verbalem und nonverbalem Zeugnis zu konzentrieren: Handeln und Wort sollten Hand in Hand gehen.

Europa
Jeder Mensch ist von Gott geschaffen worden und besitzt als solcher Würde und Wert. Daher bestehen wir darauf, dass die europäischen Kirchen und die europäischen Staaten für den Schutz der Menschenrechte einstehen. Dies ist die Grundlage für die Gestaltung eines Europas entsprechend den Bedürfnissen der Menschen.

Migration
Migration ist eine Realität, die gesehen und auf die reagiert werden muss im Sinne menschlicher Würde, Gastfreundschaft und dem Recht auf Bewegungsfreiheit. Doch Mobilität und Bewegungsfreiheit sind ein Privileg für Menschen aus EU-Ländern geblieben. Wir engagieren uns, um den Barrieren (Visa-Einschränkungen, soziale Unterschiede und finanzielle Beschränkungen) für Menschen aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern entgegenzutreten und einen gleichberechtigten, ökumenischen und europäischen Dialog zu ermöglichen und zu fördern.

Religionen
Vielfalt der Religionen hat die Koexistenz der Menschen in Europa geformt. Wir verpflichten uns, Sibiu als Ausgangspunkt für einen erneuerten interreligiösen Dialog zu nehmen. Das Ergebnis dieses Prozesses soll durch eine gemeinsame Erklärung ähnlich der der Charta Oecumenica herausgestellt werden.

Schöpfung
Gott ist der Schöpfer der Welt, in der wir leben und deren Teil wir sind. Doch statt verantwortungsbewusst zu leben, tragen wir – durch einen nicht-nachhaltigen Lebensstil – zu katastrophalen Entwicklungen in der Umwelt wie z.B. dem Klimawandel bei.
Wir verpflichten uns, unseren Lebensstil gemäss dem biblischen Zeugnis zu überdenken. Dies muss durch konkrete Schritte geschehen wie z.B. den Kauf von Produkten aus gerechtem Handel, den Gebrauch erneuerbarer Energien, Reduzierung unserer Kohlenstoffabgase und Veränderung unseres Verbraucherverhaltens auf ein umweltverträgliches Ausmass.

Friede
Friede ist kein einstufiger Begriff – er kann auf der persönlichen Ebene, der Ebene der Kirche und in den Beziehungen zwischen Kirchen und Regierungen gelebt werden. Beim Frieden geht es primär um persönliche Einstellungen: wenn unsere Seele nicht friedlich ist, können wir Frieden mit anderen nicht erreichen.
Wir verpflichten uns, den stillschweigend unterstützten Waffenhandel anzusprechen und ständig gegen Firmen, die Waffen herstellen, Lobbyarbeit zu leisten. Als Gegenstück zur Europäischen Verteidigungsagentur fordern wir die Schaffung einer Europäischen Friedensagentur.

Gerechtigkeit
Als Teil der Gesellschaft sind die Kirchen auch Teil ungerechter Systeme. Wir verpflichten uns, uns auf die Forderungen und Bedürfnisse unserer Nachbarn nach mehr Gerechtigkeit in der ganzen Welt einzugehen, deutlich gegen unterdrückerische Migrationspolitik und die Vorherrschaft der Industriestaaten in den weltweiten Beziehungen aufzutreten, gleiche Chancen der Erziehung für jede Frau und jeden Mann als Grundlage der Ermächtigung zu fördern.

Wir bestehen darauf, die Nacharbeit und Verwirklichung dieser Verpflichtungen wirklich zu verfolgen als einer Verpflichtung für uns selbst, die Delegierten der EÖV3 und der Beschlussgremien der Kirchen. Dies ist nicht nur die Voraussetzung für die Motivation und weitere Arbeit junger Ökumeniker, sondern kennzeichnet auch die Vertrauenswürdigkeit der ökumenischen Bewegung.